Bleibt nur lesen

27.05.2010 (k) Chengde

Nachts hat es wie erwartet geregnet, doch am Morgen sind die Straßen schon wieder trocken. Nun ist es wieder so eine Entscheidung zwischen: weiterfahren, obwohl das Wetter morgen wieder schlecht sein soll oder bleiben, weil das Wetter morgen wieder schlecht sein soll und wir dann wenigstens in einer größeren Stadt sind, wo man mehr machen kann. Molle ist diesmal eher für bleiben, ich für fahren. Wir entscheiden uns dafür, hier in Chengde doch noch das Bergerholungsgebiet anzusehen und packen heißes Wasser und zwei Suppen für ein Picknick im Park an. Weit kommen wir aber nicht, denn die Eintrittspreise stellen für uns psychisch einfach ein unüberwindbares Hindernis dar. Zusammen sollen wir 30 Euro berappen und wer weiß wieder wofür? Wie immer, wenn wir uns gegen etwas entscheiden sind wir auch ziemlich gut im Schlechtmachen der Sache: wahrscheinlich nur ein paar Seen, viel Wald, Gras, Garten, Brücken und ein paar berühmte Gebäude, die nicht viel mehr hergeben als Requisite zu stehen für Erinnerungsfotos von Tourgruppen. Ja, werden einige sagen, typisch die beiden! Einfach keinen Kopf und nichts übrig für Kultur! Immerhin hat es das hier zu einem Unesco Weltkulturerbe gebracht. Ja, vielleicht ein Fehler, nicht hineinzugehen, vielleicht aber auch nur wieder die Frage: was „is a must see?“ Vielleicht die Obstverkäufer, die wir in den Gassen beim Durschlendern beobachten können. Wie sie versuchen, Äpfel, Pfirsiche und für uns namenlose Früchte, die auf den großen Plattformen ihrer rostigen Fahrräder kunstvoll drapiert sind, mit Geschick und Geschrei an Mann oder Frau zu bringen? Vielleicht der kleine, berstende einen Meter breite Schlauch von einem Baoziladen, wo wir uns auf zwei Körbchen einfinden und das verdutzte Gesicht eines „Mitessers“, als wir ihn nach seinem Klingelton fragen, da der ein Lied spielt, das wir schon so oft in China gehört haben und das wir schon lange kaufen wollen? Er versteht uns nicht, aber die Baozi-Frau schon. Sie schreibt uns den Titel auf. Zwei chinesische Zeichen. Vielleicht die Angestellten des Internetcafés, die uns zuerst einen Computer zuteilen, als ein Mann, der selbst gerade ein Babyspiel zockt, sich wie ein Chef aufspielt (was er wahrscheinlich auch ist) und kurz etwas herausraunzt was soviel heißt wie „Ausländer dürfen nicht surfen“, worauf wir unser Geld zurückbekommen und unverrichteter Dinge abziehen. Das normale Leben ist einfach das, was wir auf unserer Reise sehen wollen, wo wir kleine Dinge erleben, beobachten und manchmal auch mitgestalten wollen. Hier sind wir mehr wir selbst als in einer 5A-Sehenswürdigkeit. So falsch das vielleicht für manch einen sein mag – für uns ist es richtig. Wir finden doch noch ein anderes Internetcafé, das uns surfen lässt. Eigentlich haben wir einen Anschluss im Zimmer, doch heute kam irgendwie das Netz nicht ganz durch zu uns.

Mittags beginnt es leicht zu regnen und wir machen einen auf Lesenachmittag. Neue Zeitungen haben wir geladen. Wir nehmen uns die ZEIT auch für das, was in der Bayernausgabe steht. Mag wiederum manch einer für falsch halten, wir mögen’s und das ist ja das Tolle auf so einer Reise: man ist niemandem Rechenschaft schuldig, auch wenn man das manchmal denkt.

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