„Geraden“-wegs in den Süden

Der Plan stand also: Wir befahren die legendäre N2 nach Faro. Zwar nur ein Stück, aber wir waren schon gespannt, ob sich der Mythos der gut 750 km langen Strecke von Chaves bis an die Südspitze Portugals auf uns übertragen würde. Früher war die Straße mal DIE Hauptverbindung von Nord nach Süd im Landesinneren. Mit dem Bau der Autobahn verlor die Strecke natürlich an Bedeutung. Die Städte und Gemeinden entlang der Route beschlossen dann, sich den Abschnitt touristisch zu Nutze zu machen und der Region neue Impulse durch Fahrrad- und Motorrad-Touristen zu verpassen. Viele Touranbieter haben sich der „ultimativen Fernstraße“ unterdessen angenommen und bieten Pakete inklusive Hotels und Gepäcktransport an. Manch einer bezeichnet die Straße sogar als Portugals „Route 66“. Viele Lorbeeren vorab – mal sehen.

Um uns das zeitaufwendige Gegurke von Cascais durch Lissabon bis zum Start unserer N2-Route zu ersparen, fuhren wir mit Gunnar zu seinem Laden in Lissabon und von dort direkt zum Bahnhof Entrecampos. 

Eineinhalb Stunden Zugfahrt später wurden wir im ländlichen Portugal, genauer in Casa Branca mitten im Alentejo, wieder ausgespuckt.

Um den Bahnsteig herum erblickten wir nichts außer Straßen und Felder. Es handelt sich bei der Station Casa Branca um einen reinen Umsteigebahnof. Für uns allerdings der perfekte Ort zum Start, liegt er doch direkt an der N2. Ehrfurchtsvoll hatten wir die Tage vorher auf der Karte die endlosen Geraden studiert. Wie würde der Verkehr sein? Wie langweilig könnte es werden, immer wieder 15 Kilometer bis zur nächsten Kurve nur geradeaus zu radeln? Bald schon wussten wir es.

Zusammengefasst: Es war mal so und mal so. Der erste Abschnitt bis Torrão war ziemlich genial! Die karge Landschaft des hier durch Intensivlandwirtschaft (Samen, Oliven, Milch) geprägten Alentejo, strammer Rückenwind und oftmals ein leichtes Gefälle. Der Regen der letzten Tage hatte für frisches, sattes Grün gesorgt. Wahrscheinlich die beste Reisezeit für diese Gegend. Der Verkehr hielt sich stark in Grenzen und so fühlte sich das schon sehr fein an.

Je näher wir allerdings an Ferreira herankamen, desto unangenehmer wurde der Verkehr. Wie so oft ist angesiedelte Industrie ein Garant für Schwerlastverkehr und landschaftliche Verschandelung samt Luftverschmutzung.

Zudem kann es natürlich nicht nur bergab gehen und die vielen kleinen Hügel summierten sich zum Ende des Tages auch auf 900 Höhenmeter. Hinter Ferreira wurde es stufenweise wieder besser und der Schlussabschnitt bis Aljustrel im Abendlicht bekam wieder das Prädikat „nice“! Ausnahmsweise hatten wir in dem Ort das Hotel mal nicht vorab reserviert – beinnahe ein böser Fehler. Ich marschierte mit Sonnenuntergang in den 3*-Schuppen (Villa Aljustrel) bekam mit dem ersten Atemzug gleich mal eine schöne Prise einer gediegenen Schweißfahne in die Nase und blickte in zwei, sagen wir mal, nicht ganz fröhliche Gesichter. Nachdem die beiden Damen sich von dem Schock erholt zeigten, fragten sie nach einer Reservierung, die ich natürlich nicht hatte. Wie aus der Pistole geschossen kam dann: „No room. We are full!“ Genau! Ich zückte das Handy und rief das Hotel im Buchungsportal auf und zeigte den Damen dort jede Menge freie Zimmer. Sie schüttelten den Kopf. Gut, dachte ich, buche ich halt vor ihren Augen ein Zimmer. Wenig später blieb ich allerdings im Buchungsvorgang stecken – das Mädel hatte mit einem Klick alle Zimmer geblockt. Sie grinsten mich an: Siehste! Ich konnte es nicht glauben! Per Handy-Übersetzung ging es hin und her und sie wollten uns noch 20 Kilometer weiter schicken. Die Sonne sagte am Horizont gerade „bye bye“. Ich verklickerte ihnen, dass wir mit dem Fahrrad unterwegs sind und ich heute bei Dunkelheit keinen Meter mehr fahren kann und werde. Und da, oh Wunder: „We have a double room.“ Als ich das Zimmer dann noch sehen wollte, um sicherzugehen, dass wir nicht die Besenkammer bekommen, schrieb sie in ihr Handy: „Why do you want to see the room?“. Tja, warum wohl…egal, letztlich checkten wir ein und beendeten einen sehr intensiven Rad-Tag glücklich unter einer heißen Dusche.

Der Blick auf die Karte versprach für den kommenden Tag erneut endlose Geraden bis Castro Verde und weiter nach Almodôvar. Wir wagten den Beginn, der Autoverkehr war uns aber bald einen Tick zu rege und auch zu schnell und wir wichen kurz nach Castro Verde auf eine Nebenroute aus. Obwohl sie länger und teils auch sehr hügelig war, sollte sich das gelohnt haben. Das Fehlen von Autos wertet das Radfahren einfach massiv auf. Hinter Almodôvar hatte uns die N2 wieder und es begann der schönste Abschnitt, der uns mal erneut vor Augen führte, dass Berge zwar Höhenmeter bedeuten, den Fahrspaß aber begünstigen. Eine wahre Traumstraße! Das Wetter spielte mit und so kurvten wir mit einem Grinsegesicht bis Cortelha, wo wir nach fast 1200 Höhenmetern bei einem kleinen Hotel direkt an der Straße eincheckten. Das familiengeführte Haus entpuppte sich als kleines Juwel. Das angeschlossene Restaurant bot portugiesische Hausmannkost der besten Sorte und ein gemütliches Ambiente. Für Nicht-Vegetarier: Die Fotos lassen nur erahnen, wie hervorragend das Wildschwein- und das Lamm-Ragout waren. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass ich noch nie bessere hatte!

Mit dem weltbesten Frühstück aus regionalen Produkten wurden wir bei Sonnenschein wieder auf die Straße geschickt. Bis Faro blieben nurmehr 30 Kilomter und hunderte Höhenmeter, die es zu vernichten galt. Da die nächsten atlantischen Fronten aber schon auf dem Weg nach Osten waren, beschlossen wir Faro Faro sein zu lassen und direkt noch bis zur spanisch-portugiesischen Grenze zu fahren. Lustigerweise hatten wir bei unserer Reise 2015 genau diesen Küstenabschnitt per Zug überbrückt. Nun wurde hiermit also auch diese Lücke geschlossen. Das schöne Städtchen Tavira wirkt auch im Winter sehr touristisch oder sogar „mehr“ – wenn man den Wohnmobilstellplatz außerhalb sieht, hat man eine Erklärung dafür: Scheint auch eine Überwinterungsstation für Pensionisten in weißen Kisten zu sein. Auf dem Weiterweg ging es entlang von Salinen zum Naturpark Ria Formosa und vorbei an Orangen- und Mandarinenplantagen und dem riesigen Robinson Golfclub Quinta da Reia. Wer wohl mehr Wasser verbraucht? Mit den ersten Regentropfen rollten wir in Vilareal de San Antonio ein. Im symathischen Hotel Apolo bot sich uns die Möglichkeit, auf dem Balkon zu köcheln und so wärmten wir die Reste des vorherigen Abends als Linsentopf wieder auf und aßen gemütlich im Zimmer.

Gut zwei Wochen waren wir wieder nur in Portugal – erneut viel zu kurz! Der Weg durch Südspanien ist allerdings noch weit und das Wetter im November doch oft unberechenbarer als uns lieb ist. Und da wir ja da sein wollen, wo die Sonne ist, müssen eben hin und wieder Richtungswechsel her und so manche Region muss eben noch warten. Aber: Wir kommen wieder, keine Frage!

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