Home Auf nach Holland Flucht vor den Fronten

Flucht vor den Fronten

von sabbatradler
0 comment

23.08.2012   Besancon – Bussang (Zugstrecke Besancon – Belfort): 52km, 900Hm

In Zeiten moderner Kommunikationsmittel ist man ja deutlich weniger Überraschungen ausgesetzt als noch in der mutimedialen Steinzeit. So kann man sich dank zahlreicher Apps und Webseiten unter anderem ein recht genaues Bild davon machen, was in den nächsten Tagen wettertechnisch über einen hinwegzuziehen vermag. Man kann über Sinn und Unsinn solcher Maßnahmen sicher vortrefflich streiten. Mich aber überzeugen die Unwetterwarnungen dahingehend, dass ich nicht, wie geplant, einen vollen Tag an der Doubs bzw. der Ognon Richtung Belfort pedalieren werde, sondern diese Distanz mit einem Regionalzug überwinde. Damit, so hoffe ich, kann ich mir vor den aus Westen heranziehenden Gewitterfronten gleichsam einen Vorsprung herausholen, der mir noch trockenen Rades über den Col d’Alsace helfen kann.

Gesagt getan. Nach langer Zeit mal wieder ein Termin: 10:11 Uhr, Gare de la Viotte, Besancon. So muss ich leider die Tasse heißen Kaffee ablehnen, die mir meine französische Nachbarin offeriert. Ausgerechnet heute bin ich ein Eile. Hätte mich doch mal brennend intressiert, wie weit meine Französischkenntnisse in den letzten drei Wochen gediehen sind. Zu mehr wie einem „Merci bien. Je dois aller à la gare.“ kommt es also nicht.

Auf der sehr befahrenen „Rue de la Besancon“ geht es aus dem Campinggelände kommend gleich mal eine fiese, kilometerlange Steigung hinauf, nur um dann in Richtung Innenstadt schnurgerade abzufallen. Die schwüle Hitze hat mir schon nach wenigen hundert Metern den Schweiß aus allen Poren gepresst, wie den Saft aus einer überreifen Orange. Die kühlende Abfahrt nehme ich so gerne an und unterbreche diese nur kurz, aber gerne, für einen schnelle Kaffee samt Brioche au Chocolat in einer kleine Vorort-Bäckerei. Ich folge dem Straßenverlauf weiter und rolle quasi direkt in die Bahnhofshalle hinein. Das war ja mal einfach zu finden. Das Ticket ist schnell gelöst und so bleibt Zeit für eine zweite Dosis des schwarzen Muntermachers, diesmal stilecht mit Pain au Chocolat.

Sicherheitshalber erkundige ich mich nochmal, ob Fahrräder in Regionalzügen kostenfrei transportiert werden und als die bejaht ist, schiebe ich meinen treuen Begleiter auf „Voie B“, wo ich wenig später barrierefrei in meinen TER einsteigen kann. Da kann sich die DB mal ein Scheibchen abschneiden. Wie so oft, sitzt man erst einmal im Zug, wird man faul und schon kreisen meine Gedanken um eine Weiterfahrt nach Mühlhausen und Freiburg, um dort in einem Hostel die Regenphase auszusitzen.  Gerade noch rechtzeitig schießt mir aber eine gute Portion Radleradrenalin ins Blut, als ich auf der Karte die vielen Kurven der Straße hinauf zum Col d’Alsace sehe. Außerdem ist der Himmel noch immer strahlend blau.

So sattle ich voller Vorfreude in Belfort mein Rad und halte mich immer nördlich, ragen doch in dieser Himmelsrichtung die Vogesen auf. Schnell lande ich auf einem Radweg, der mich aus dem Großraum Belfort hinausführt und über eine Landstraße nach Giromagny leitet, von wo aus die Straße nun etwas steiler ansteigt. Erst ab Lepuix beginnt jedoch die eigentliche Passstraße. Schnell kommt richtiger Fahrspaß auf, denn sowohl die mäßige 5-6%ige Steigung als auch das Wetter spielen zu Beginn noch mit. In herrlichen Serpentinen schlängelt sich das Teerband durch die stark bewaldete Landschaft des Naturparks. Im letzten Drittel des Anstiegs steigt der Stress ein wenig an, denn es brauen sich einerseits dicke, dunke Wolken über mir zusammen und andererseits hält der Pass nun einige sehr langgezogene 8-9%ige Rampen bereit. Wieder mal stellt sich heraus, dass schelleres Fahren in solchen Situationen nur bedingt geeignet ist, diesen zu entkommen. Natürlich rinnt der Schweiß nur umso heftiger von der Stirn. Schnell ist das kleine Kissen in meinem Helm, dass diesen auffangen soll, hoffnungslos überfordert. Und so bahnt er sich weiter seinen Weg, überwindet geschickt meine Augenbrauen und hüpft vergnügt in meine Brille.

Für den letzten Kilometer bis zum Pass erhebt sich die Straße aus dem Wald und biegt in einer langgezogenen Linkskurve über den Bergrücken ab. Am Ende sieht man bereits die Hütten, Hotels und Souvenirläden, die wohl fast jeden halbwegs bekannten Pass auf dieser Welt zieren. Erstmals kann der Blick auch in die Ferne schweifen. Die hügelige Vogesenlandschaft ist mir ja schon bekannt und erinnert mich schnell wieder an die ganze Arbeit, die bei der Längsdurchquerung noch zu leisten sein wird. Aber, Berge ziehen mich magisch an. Das Überwinden der Höhe, die Annäherung an den Pass, der kleine Triumph, wenn man es endlich geschafft hat, der Blick von oben, der Genuss einer erholsamen Abfahrt.

Zwölf Kilometer später, stehe ich an der Hauptstraße Richtung Bussang und Mulhouse. Dementsprechend donnern dicke Lastwagen hinter kleinen PKWs her und umgekehrt. Für den Fahrradfahrer gibt es auf solchen Straßen nichts zu gewinnen und bevor ich etwas verliere, suche ich nach Alternativen. Und die gibt es tatsächlich. Ein „Voie Verte“ führt gemütlich ins beschauliche Bussang. So lassen sich die fünf Kilometer flussaufwärts relativ beschwerdefrei abspulen. Inzwischen hat die Sonne erneut die Oberhand gewonnen und heizt mir nochmal ordentlich ein.

Der Ort wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, viele Gebäude sind alt und heruntergekommen, es gibt nur das Allernötigste. Jedoch findet sich unweit des Zentrums ein schmucker Campingplatz, auf dem ich mich häuslich einrichte. Ein kleiner Fluss plätschert durchs Gelände, geradewegs an meinem Stellplatz vorbei, es gibt eine fast schon hippe Bar mir ausgezeichnetem Service. Wenn jetzt, wie angekündigt, heute Nacht der große Regen kommt und sich morgen auch noch festsetzt, dann ist dies ein Ort, an dem man einen Tag verweilen kann.

2012-08-23

You may also like

Diese Website verwendet Cookies, um Ihr Erlebnis zu verbessern. Wir gehen davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, aber Sie können sich dagegen entscheiden, wenn Sie es wünschen. Verstanden Mehr