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Aussenrum statt mittendurch

von sabbatradler
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19.04.2010 (m) – Wakayama – Shirahama: 38km auf dem Rad, 75km im Zug

Mit Blick auf den Strand und das Meer lassen wir uns das Frühstück schmecken, während ein Bauarbeitertrupp den Zaun, der zwischen unserer Zeltwiese und der Strandpromenade liegt, abmontieren. Der Strandbereich wird wohl so langsam aus dem Winterschlaf geweckt. So waren wir gerade noch rechtzeitig dran, um an dieser Stelle unser Zelt für eine Nacht aufzuschlagen. Nun ist der Sichtschutz (Zaun) ja weg. Wir unterhalten uns nochmal kurz über den Rumpler, der den Erdboden kurz vor dem Einschlafen erschüttert hat – es muss ein Erdstoß gewesen sein (was das Internet auch später bestätigt – Stärke 2). Nachdem in Japan jährlich um die 3000 Erdbeben registriert werden, liegt die Wahrscheinlichkeit, eines zu spüren aber auch wirklich recht hoch. Wir nutzen die wie immer vorbildlichen Facilities, die wohl ganzjährig geöffnet sind und bestens mit Klopapier und Seife ausgerüstet sind. Ja, campen ist in Japan wirklich zu empfehlen. Inzwischen machen wir uns meist gar nicht mehr die Mühe, einen Campingplatz aufzusuchen. Ein Stückchen Wiese oder ein Pavillion, ein öffentliches Klo in der Nähe und fertig ist der perfekte Übernachtungsplatz, der die Reisekasse extrem schont.

Eigentlich wollten wir ab hier quer durchs Landesinnere Richtung Isu, von wo eine Fähre übersetzt, die uns dem Fuji schon sehr nahe bringt. Die Wetteraussichten sind aber für die nächsten Tage miserabel und so entscheiden wir uns, den Zug zu nehmen und eine Stadt aufzusuchen, die mehrere schöne Onsen, einen Sandstrand und Pazifiksteilküste zu bieten hat. Hier, meinen wir, kann man notfalls auch zwei oder drei Tage Regen aussitzen. Von dort können wir dann bei anhaltend schlechtem Wetter weiter mit dem Zug an der Küste entlang oder bei Wetterbesserung doch noch einen Abstecher durchs Landesinnere machen. Zunächst wollen wir heute aber ein Stückchen radeln, da das Wetter noch gut ist. Wir haben dafür keine GPS-Daten, aber an der Küste lang, das werden wir ja wohl schaffen. Denkste! Klar, die Hauptstraße 42 kann man nicht verfehlen, schlängelt sich darauf doch eine fast nicht abreißende Blechlawine. Man kann auf den holprigen Gehwegen neben dieser herfahren, doch das ist: scheiße. Also suchen wir Nebenstraßen. Und hier hört der Spaß schnell auf, ist doch der Atlas zu ungenau und unser Japanisch zu schlecht. Als wir uns einige Kilometer und Höhenmeter verfahren haben, geben wir auf und folgen von der Hauptstraße dem nächsten Schild zu einem Bahnhof. Flugs verpacken wir die Räder, tragen Taschen und Räder in mehreren Aktionen über die schon sehr rostige Überführung zu Gleis 2 und hüpfen in den nächsten Zug nach Shirahama. Es ist ein Lokalzug. Wir schaukeln von Station zu Station, die oftmals nur einige hundert Meter auseinander liegen. Aber es ist gemütlich. Irgendwann hält der Zug plötzlich ein wenig länger, das Brummen und wackeln des Wagens kommt zum Erliegen. Als dann der Lokführer an uns vorbei spaziert und hinten ins Fahrerhaus einsteigt, dämmert uns, dass hier Endstation dieses Zuges ist. Und wir sind noch nicht in Shirahama. Nun denn. Wir schmeißen alles aus dem Zug, bevor dieser wieder in die Richtung, aus der wir kommen, loszuckelt. Na, wird schon gleich ein Anschlusszug kommen, schließlich sind wir in Japan. Und da flitzt er auch schon heran, der Western Pacific Express. Der ist aber schnell. Und auch viel enger. Hm, der Schaffner hält uns nicht vom Einsteigen ab, also los. Wir werfen im Innern schnell das Gepäck auf und unter einen Doppelsitz und schieben die Räder hinter erste Sitzreihe und Wand. Passt! Wir lassen uns in den weichen Sitzen nieder und freuen uns. Bis der Schaffner kommt. Mit unseren Tickets ist er nicht einverstanden, wir säßen ja in einem „limited express“. Wow! Jedenfalls fuchteln wir mit Händen und Füßen rum, wie der Schaffner auch und mit einigen Brocken Englisch einigen wir uns darauf, dass wir an der nächsten Station wieder aussteigen. Diese ist Tanabe und liegt gut acht Kilometer vor unserem eigentlichen Zielbahnhof. Damit wäre das Gröbste geschafft. Und als wir – dort angekommen – feststellen, dass der nächste Anschlusszug erst in 80 Minuten fährt, ist es genug mit Transport. Wir bauen die Räder auf und fahren einfach los, obwohl dunkle Wolken und erste Regentropfen nichts Gutes ankündigen. Dennoch bleibt noch die Zeit, mir einen lange geäußerten Wunsch zu erfüllen. Als wir eine Driving-Range passieren, schlage ich zwei Körbe Golfbälle in die Nähe und Ferne. Mein Schwung ist auch nicht mehr der Alte, die Pause war doch lange. Aber, beim zweiten Korb läuft es schon wieder ganz ordentlich und das leise Zischen und dieses Gefühl, den Ball fast ohne Kraftaufwand wegzudreschen (wenn man ihn genau trifft), kommt wieder öfter. Hach, macht schon auch Spaß, so ein bisschen Golf.

Die Wolken türmen sich unterdessen weiter, der Wind weht scharf vom Pazifik. Ja, der Regen kommt, wir glauben es! Kräftig treten wir in die Pedale und erreichen in leichtem Nieselregen die Touristenhochburg Shirahama. Sie wirkt nicht sonderlich attraktiv, viele Betonburgen reihen sich um den Sandstrand, ein paar Onsen-Schilder, Restaurants und Cafés. Da hat doch der Reiseführer mal wieder maßlos übertrieben. Wie dem auch sei, jetzt sind wir da, das Wetter wird schlecht, also nichts wie auf zum Autocamp. Dieser fügt sich nahtlos in die Bausünden der Region ein. Immerhin ist die Küchenzeile aber überdacht und wir finden Platz für unser Zelt im Trockenen. Das ist keine schlechte Nachricht, für die zu erwartende Regennacht. 50 Meter vom Camping entfernt befindet sich ein kleiner Onsen, der, als wir nach dem Abendessen (einer gehörigen Portion Nudeln)dort eintrudeln, so gut wie leer ist. Damit haben wir, natürlich trotzdem wieder brav nach Männlein und Weiblein getrennt, jeder seinen Bereich mit einem zwei Mal fünf Meter Becken, einem Außenbecken und fünf Duschplätzen ganz für uns alleine. Sehr gemütlich! Im Übrigen sind wir dafür, dass weltweit, an jedem Etappenziel, das wir jemals anradeln werden, ein Onsen für uns bereit steht. Jawoll.

19April2010

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