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Ein Hakka-Dorf

von sabbatradler
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17.03.2010 (k)

Da will uns der junge Mann im Frühstückschuppen doch tatsächlich fast den Vierfachen des gewöhnlichen Preises für die zwei – im Übrigen selten langweilig schmeckenden – Nudelsuppen abverlangen. Wir lassen ihn lachend mit der Hälfte des Geforderten stehen. Da sind wir wohl unverkennbar in einer Touristenregion! Den Tulou („Erdhaus“)-Komplex von Hongkeng, der fünf Kilometer von unserem Hotel entfernt ist, wollen wir auf dem Durchweg noch besichtigen. Diesmal fahren wir an der offiziellen Touristen-AAAAttraktion (je mehr As, desto wichtiger die Sehenswürdigkeit in China) nicht vorbei, sondern kaufen brav Tickets. Hier im Kreis Yongding stehen die meisten der berühmten Häuser, aber auch in anderen Gebieten Fujians und Guangdongs sind welche zu finden. Die ältesten stammen aus dem 12. Jahrhundert, doch die meisten und aufwändigsten sind aus dem 18. Und 19. Jahrhundert. Bis heute werden noch welche gebaut, wie wir auf der unweit des Ortes liegenden Großbaustelle für ein („Touristen“-?) Dorf an einem Beton-Rohbau sehen können. Die ursprünglichen Häuser sind aber – wie der Name schon sagt – aus gepresster Erde geformt. Viele der Bauten sind Rundhäuser, es gibt aber auch eckige und ovale. Die Außenmauern der Wohnanlagen mit Festungscharakter sind oft einige Meter dick. Aus Sicherheitsgründen (Piratenangriffe u. a. ) sind nach außen nur kleine Fenster – auch als Schießluken nutzbar – verbaut. Nach innen hingegen öffnen sich die Zimmer zu Galerien über die man zu den Treppen gelangt, die hinunter in den gemeinsam genutzten offenen Innenhof führen. Hier finden sich Wasserstellen, Hühnerställe oder Tempel. Die Dächer sind mit Ziegeln gedeckt und leicht überhängend. Wir dürfen mit den Rädern auf Besichtigungstour gehen – das ist sehr von Vorteil, denn der Bereich ist doch sehr weitläufig – es handelt sich schließlich um ein ganzes Dorf. Das größte der Rundhäuser ist stark herausgeputzt, es hat im unteren Bereich seinen ursprünglichen Charakter verloren und dient nur als Touristenattraktion, man sieht jedoch, dass in den oberen zwei Stockwerken noch ganz normal Menschen wohnen. Deshalb darf man auch nicht hinauf, was einerseits enttäuschend, andererseits aber auch sinnvoll ist. Im Hongkeng-Komplex finden sich Gebäude unterschiedlichen Baustils. Ein Blick vom Innenhof nach oben ist jedes Mal aufs Neue faszinierend. Vor jeder Tür hängen rote Lampions, manchmal auch Wäsche zum Trocknen. Das verbaute Holz ist dunkel oder rot gestrichten. In der Mitte plätschert das Wasser oder ein paar Hunde, Hühner oder Kinder springen herum. Jede Familie bewohnt ein Stück vom „Kuchen“, mit Küche im Erdgeschoss, Lager im ersten Stock und Schlafplatz unterm Dach. Vor dem Fuyulou („Fünf Phönix Haus“), einem eckigen Haus mit drei Hallen und vier Innenhöfen sitzen einige junge Leute, die mich freundlich begrüßen. Dies sei die Herberge – ich bekomme eine Führung durch die Zimmer im oberen Stock – mit Blick aus der Schießscharte direkt auf das auf der anderen Seite des Flusses gelegene Rusheng Lou, das kleinste der Rundhäuser. Da es leicht zu nieseln beginnt, wir noch gut 90 Kilometer vor uns haben und es bereits fast 11 Uhr ist, trage ich mich mit dem Gedanken, hier einzuziehen. Molle ist zwar nicht gerade begeistert über unsere heutige Tagesetappe, doch da Weiterfahren wohl stressig würde, belagern wir schließlich ein Zimmer im eckigen Erdhaus. So bleibt ausreichend Zeit, den AAAA-Scenic-Spot gebührend zu besichtigen und sogar der Stoßzeit (die Tourgruppen fallen so gegen 12 Uhr hier ein und verschwinden mit fortschreitendem Nachmittag) mit einem Kaffee auf der Galerie zu entgehen.  Eine Abendrunde führt uns nochmals über das Gelände und hoch auf einen Hügel, von dem wir sogar einen Blick über das größte Rundhaus der Anlage erhaschen können. Der Weg hinunter endet direkt im Kohlgarten zweier Häuser. Ein Hund ignoriert uns, ein Schwein aus einem Seitenstall lässt durch sein tiefes, unerwartetes Grunzen jedoch unsere Glieder zusammenzucken. Trotz aller Touristen, die hier tagtäglich durchgeschleust werden, ist der Dorfcharakter erhalten geblieben – es gibt allerlei Kleinigkeiten zu entdecken und beobachten hier.

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