Es ist schon komisch, welch‘ ein Gewohnheitstier der Mensch ist. Kaum ist man zwölf Tage am bzw. im gleichen Ort und hat ein paar nette Leute kennen gelernt, fällt einem der Abschied schwer. Erst wollten wir nicht rauf auf den Kahn…na ja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Aber ein leicht mulmiges Gefühl hatten wir schon, als wir am Morgen des 20.11. in die Ankunftshalle des Hafens von Dubai rollten.
Unsere erste Begegnung mit der für uns ganz unbekannten Region: die Klimaanlage des Gebäudes. Kühlschrank! Finden wir nicht gut, ist aber hier so. Anders hält man es sicher bei Temperaturen um die 50 Grad im Sommer nicht aus. Jetzt ist aber Winter und es hat tagsüber maximal 30 Grad, abends dann laue 20+.
Nach der völlig unkomplizierten Einreise folgten wir der Fahrradspur, die uns aus dem Hafengelände bringen sollte. Sie endete vor einem verriegelten Tor. Gleich kam ein lustiger Inder gesprungen, der kurz mit seinem Chef telefonierte und dann das klobige Schloss für uns öffnete. „I‘m from north India, mam!…Yes, mam.“
In unserem Führer stand geschrieben, man könne sich in Dubai wie in Mumbai oder Dehli fühlen. Recht hat er, denn auf unserem Weg über die Gehsteige Dubais begegneten uns fast ausschließlich Inder und Pakistanis. Auf den staubigen Parkplätzen und Freiflächen standen Unmengen dunkelhäutiger Menschen in der prallen Sonne und spielten Cricket, den Volksport des indischen Subkontinents.
Araber sahen wir nur rechts von uns, auf der dreispurigen Straße, in ihren fetten Karossen. Gleich wurde uns klar, dass hier zwei Gesellschaften parallel zueinander existieren, die nur eine kleine Schnittstelle kennen: Gastarbeiter erledigen die Drecksarbeit für die Einheimischen. Ohne Wenn und Aber. 10% Einheimischen stehen 90% Gastarbeiter gegenüber. Ohne sie würde hier nichts funktionieren. Die meisten sind für zwei Jahr hier, dann geht es für zwei Monate in die Heimat, es folgen wieder zwei Jahre Arbeit. Viele, mit denen wir sprachen, ob Inder, Philippinos, Nepali, Pakistani, sie alle bekamen einen wehmütigen Blick, wenn sie von ihrer Heimat sprachen. “You must go there, it is so nice.” Ein weiteres Phänomen: Heimat. Man kann es wohl nicht erklären, nur fühlen.
Das mit dem Radfahren in Dubai klappte ganz gut, eilig darf man es halt nicht haben und aufmerksam muss man sein. Gehsteig hoch, entlang, Gehsteig runter. Beim Abbiegen: Über die Ampel, drüben auf dem Gehsteig weiter. Und so weiter und so fort. Macht für 15 Kilometer gut zweieinhalb Stunden. Und wir hatten noch Glück, es war Freitag, was in den Emiraten gleichbedeutend mit unserem Sonntag ist. Und so wurden wir gleich Zeuge des für alle Muslime so wichtigen Freitagsgebets. Aus Straßen und Gassen strömten sie dem Ruf des Muezzins folgend auf eine der 650 (!) Moscheen im Emirat Sharjah zu, in dem wir uns unterdessen befanden. Hier sind die religiösen Vorschriften noch ein bisschen strenger. Jung und Alt spazierte herbei, den Gebetsteppich locker über die Schulter geworfen. Immer schneller rannten die später kommenden. Verpassen darf man das Gebet nicht! Die Moschee war offenbar überfüllt, denn es knieten bestimmt hundert Menschen auch davor. Ebenso auf den schmalen Grünstreifen zwischen den Straßen. Der Alltag stand für etwa fünf Minuten komplett still. Wir kauerten uns schüchtern und etwas unsicher an eine Mauer und beobachteten das Treiben. Stören wollten wir auf keinen Fall. Dann, das Gebet war vorbei, der Verkehr begann sofort wieder zu rollen, die Geschäfte öffneten schlagartig. Faszinerend mitanzusehen.
Wir rollten weiter, an einem der vielen Parks vorbei, zur Lagune Khalid. Eine von drei künstlich angelegten, die mit Rad- und Joggingwegen umgeben sind und teilweise sogar Badestrände aufweisen. Im Hintergrund ragen die zahlreichen Wolkenkratzer auf, die aber nicht abschreckend und hässlich sind, sondern ein angenehm anzusehendes Bild abgeben. Leben wollten wir hier nicht, klar. Zu wenig grün, zu viel Sand und Staub. Aber das mal zu sehen, lohnenswert.
Zunächst fühlten wir uns schon etwas fremd, plötzlich sieht man verschleierte Frauen, Männer mit Kopftüchern, Käppis und mit allen Arten von Gewändern. Wir wussten nicht, ob Katrin nun Blickkontakt aufnehmen dürfte oder nicht, dürfte ich Frauen überhaupt anschauen? Schon schnell bekamen wir aber ein Gefühl dafür, vor allem nach dem Besuch der Moschee Al Noor, wo wir gut 90 Minuten lang ein Gespräch mit der sehr gut Englisch sprechenden Sherifa führen konnten und so allerhand über den Islam, die Rolle der Frau und gewisse Rituale erfuhren. Katrin hat noch ein einstündiges Interview mit ihr geführt, das wir in der nächsten Zeit aufzuarbeiten versuchen. Kurz gesagt schon vorab: Unter sehr, sehr vielen Gewändern und Schleiern und Tüchern stecken ganz normale Menschen, die bei H&M einkaufen und gerne einen Kaffee trinken gehen – zumindest hier in den Emiraten. Schnell gewöhnten wir uns an die Moschee an jeder Ecke, den täglichen fünfmaligen Ruf zum Gebet und die vielen verschleierten Menschen. Wie sagte ich zu Anfang: der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Neues und Unbekanntes verunsichert, schafft Ängste. Vielleicht mit ein Grund, warum viele Menschen, die nie oder selten reisen manchmal so komische Dinge sagen und tun…
Wir hatten uns für sechs Tage in ein schönes uns relativ erschwingliches Hotel eingebucht und unternahmen von dort Ausflüge nach Dubai zum höchsten Gebäude der Welt (Burj Khalifa, 828m) und zur größten Mall der Welt, der Dubai Mall. Obwohl lauter Superlative, uns hat es nicht vom Hocker gehauen. Die Preise sind utopisch, und doch wirken die Menschen schon fast gelangweilt vom dauernden Shoppen. Auf den wenigen Sitzplätzen hängen sie dann halb dösend oder in ihre Smartphones starrend. In den zahlreichen Food-Courts gibt es nur Wegwerfgeschirr und Plastikbecher, alles ist auf 20 Grad heruntergekühlt…crazy world!
Wir hatten’s gesehen und beschränkten uns ab da auf das Emirat Sharjah, wo Vieles, wie z.B. das strikte Alkoholverbot und das Verhalten in der Öffentlichkeit, strenger gehandhabt wird, wo aber auch viel mehr echtes Leben stattfindet. So radelten wir zum Fischmarkt, dem Tiermarkt, dem „blauen Souq“, durch die Heritage Area, wo das alte Sharjah wieder aufgebaut wird, am Creek entlang und durch zig indisch geprägte Gassen und Gässchen. Immer wieder stärkten wir uns mit leckerem Curry, Dal, Paratha, Naan und Chai. Wir mögen die Inder hier. Sie sind immer lustig, zurückhaltend, jederzeit für ein Schwätzchen bereit und meistens sehr gute Köche!
Oft streiften wir auch zu Fuß durch unser Viertel, beobachteten und versuchten ein Gefühl für das Land zu entwickeln.
Nun sollten wir so weit sein, per Rad in die Peripherie und die Berge aufzubrechen. Morgen fahren wir Richtung Ostküste in das Emirat Fujairah, wo es weit ruhiger sein soll. Dann weiter nach Hatta und Al Ain und schließlich, in gut einer Woche, in den Norden des Oman. Zunächst nehmen wir aber noch für 100 Kilometer den Bus. Die Straßen hier raus durch die Wüste sind schnurgerade, übervoll und sehr gefährlich. Und sowas mögen wir gar nicht!