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Mitten in…Peking

von sabbatradler
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„Yi Kuai“, rufen drei junge Frauen am Osttor des Himmelstempels. Eine Palette mit Halbliterflaschen gekühltem Trinkwasser fest im Griff. Die Frauen lachen, ihre Augen leuchten, als sie uns mit „hello“ begrüßen. Nein, wir möchten kein Wasser. Wir überlegen, welche Art von Eintrittskarte wir lösen, schauen den Umgebungsplan an und entscheiden uns dann doch für eine Flasche. Einen grünen Schein möchte ich gegen eine Flasche tauschen, doch nein, es kostet einen Kuai fünfzig Jiao. Klar, sage ich, einsfünzig („Yi Kuai wu“) und stocke auf. Da habe ich wohl das verschluckte „wu“ überhört. Keine Minute später lassen die Frauen die Wasserpalette an Ort und Stelle fallen und versuchen sich unter die Leute zu mischen. Doch zu spät. Zwei junge Burschen in Zivil, die aussehen wie ganz normale junge Erwachsene, haben das Wasser beschlagnahmt und sind nur die Vorhut der Polizei, die herbeieilt. Die Frauen werden am Arm gepackt, geschimpft und bedroht. „1 Kuai“ würden sie für das Wasser verlangen, sagt eine von ihnen, als klar ist, dass sie sich nicht mehr ganz herausreden kann. Man scheint ihr nicht zu glauben, geschweige denn zuzuhören. Die Frau muss mit, sie wird unsanft zum Polizeiauto geleitet. Über der anderen schüttet der Polizist nur eine Drohtirade mit unterstützenden Handbewegungen aus. Aus dem fröhlichen Lächeln sind lange, traurige Gesichter geworden. Warum immer auf die kleinen Leute, denken wir uns. Da bereichern sich Firmenbosse bis zum Erbrechen, da treibt die Korruption immer größere Blüten und man greift ein paar Frauen auf, die vielleicht einen Tagesgewinn von 5 Euro machen, vorausgesetzt sie werden ganze 100 Flaschen los. Mir ist nicht ganz klar, ob sie hier überhaupt kein Wasser verkaufen dürfen, oder ob ihnen der erhöhte Preis zum Verhängnis wurde. Doch würden sie nur einen Kuai verlangen, wäre das eine gute Tat des Wohlfahrtsvereins. Etwas geknickt gehen wir zum Tempel. Das ist auch China, denken wir. Als wir nach zwei Stunden zurück zu unseren Rädern kommen trauen wir unseren Augen kaum. 6 Flaschen kaltes Wasser lauern in einer Plastikfolie: „Yi Kuai“ und ein verschlucktes „wu“, man muss es nicht hören.
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Zur Halle in der der Kaiser Yongle einmal jährlich für eine gute Ernte gebetet hat, und die bei den Touristen die beliebteste des Himmelstempels ist (da groß, bunt, aus Holz und rund), führt von Osten her ein 300 Meter langer, überdachter Wandelgang. Traditionell chinesisch geht es hier zu: Kartenspiele im Schatten, Selbstbeklatschung und Gesangsdarbietungen von ohrenbetäubender Quietschqualität, die nur bei den schwerhörigen Alten Glücksgefühle hervorzukitzeln scheint und sie zum Verweilen einlädt. Da macht der Gang einen 90 Grad Knick und man muss schon zweimal hinsehen, um nicht zu denken, man habe einen ebensolchen in der Optik: Tanzende chinesische Männer und Frauen. Nicht Neues? Doch! Sie tragen lange, bestickte Kleider in türkis, pink und rot, goldenen Kopfschmuck und – zumindest die Männer – aufgeklebte Schnurrbärte. Arabische Klänge dröhnen aus den Boxen – ein Wandelgang in eine andere Welt.

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