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Canale grande Gegenwind

von sabbatradler
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30.09.- 01.10.2022 Agde – Carcassonne

Das war schon herrlich am Meer! Bei fast 20 Grad Wassertemperatur konnten wir sogar am menschenleeren Traumstrand noch baden. Das Reisen in der Nachsaison hat ja schon seine Vorteile: Die sonst prallgefüllten Boulevards, die Cafés und Restaurants, die Campingplätze. Alles bereitet sich auf den Winterschlaf vor, ist aber noch in Betrieb. Dazu wärmt die Sonne angenehm und brüllt nicht gnadenlos vom Himmel. Wir genießen das. Klar, wenn der Regen aufzieht, wird es schnell ungemütlich und der Wind hat auch schon eine andere Schärfe als noch im Sommer. Wir hoffen, dass uns die Sonne noch eine Weile treu bleibt.

Apropos Wind – der bringt uns zum Canal du Midi.

Zunächst mal eine Frage: Was macht man mit Spitzhacken, Schaufeln und Ochsenkarren? Richtig, man gräbt innerhalb von 14 Jahren einen fast 250 Kilometer langen (schiffbaren!) Kanal von Toulouse bis ans Mittelmeer. Und das Mitte des 17. Jahrhunderts (1667 – 1681)! Wer an Sklavenarbeit denkt – weit gefehlt. Der ehrgeizige Architekt Pierre-Paul Riquet, der in Béziers geboren ist, überzeugte den König, ihm die finanziellen Mittel für das Projekt – dessen technische Grundlagen zur Umsetzung er sich im Selbststudium angeeignet hatte – zur Verfügung zu stellen. Damit bezahlte er die 12 000 Arbeiter überdurchschnittlich und sogar bei Krankheit und wetterbedingtem Baustopp. Und als das Geld ausging, steckte der gute Mann sogar noch sein Privatvermögen mit hinein. Dafür bekam er die Rechte am Kanal. Die Rechnung ging auf, der Kanal wurde ein wirtschaftlicher Erfolg und so konnte er seinen Söhnen sogar noch was vererben. Schöne Geschichte, oder?

Anfang des 20. Jahrhunderts begann diese Erfolgsgeschichte dann allerdings zu bröckeln, durch Zug und Auto geriet der Kanal aufs Abstellgleis. Glücklicherweise erwiesen sich die Maßnahmen der Touristik-Manager als erfolgreich und so ist der Canal du Midi heute ein Magnet für Hausboot-Fahrer und Radler. Wie uns. Wobei, so ganz magnetisch war er für uns nicht. Wir wollten einfach nicht nur auf Straßen fahren und uns von Autos nerven lassen. Daher bietet sich so ein Radweg natürlich an. So wirklich viel hatten wir vom „Illerdamm“ Südfrankreichs nicht erwartet…was bot er also?

Zunächst mal kilometerlange, autofreie Wege, die nicht breit und geteert und der Sonne ausgesetzt sind. Vielmehr besteht der Abschnitt bis Carcassonne aus vielen kleinen und kleinsten, zum Teil extrem schottrigen, Wegen, es geht durch dichtes Gebüsch und auf schmalen Uferpfaden. Klar, natürlich auch mal schnurgerade in der prallen Sonne, aber nie so lange, dass es nervig wurde. Und dafür oft mit ganz neu gewalzter feiner Schotterpiste. Wofür der Kanal nichts kann: Gegenwind. Die Tage, an denen wir hier entlangstrampelten, waren stürmisch und nicht selten blies es uns kalt und 30 km/h stark ins Gesicht. Da half nur, ein paar Gänge runter- und den Kopf abzuschalten. Die ursprüngliche Landschaft und die zahlreichen Hausboote, auf denen die „Generation Silver“ das Leben feiert (mal mit Beatles in voller Lautstärke, auf jeden Fall aber mit dicken Bäuchen, Rotwein und Bier) sorgten für Abwechslung. Die Infrastruktur am Kanal ist super, so dass eine Boucherie oder Boulangerie, der man Quiche, Rösti, Crosissants oder ein knuspriges Baguette entlocken konnte, nie weit war.

Unterwegs immer wieder kleine und große Städte, die vor Geschichte nur so strotzen. Hier ein Château, da eine Cathedrale und immer das „Hôtel de Ville“. Wundervolle Plätze, gesäumt von Cafés und Restaurants. In Städten wie Béziers könnte man gleich wieder einen Pausetag einlegen…dann aber auch in Carcassonne und Lourdes…und, und, und…Das der Nachteil beim Reisen in der Nachsaison – der Herbst naht und so trieb uns das gute Wetter doch immer schnell weiter. Pause machen kann man ja noch, wenn es regnet.

Wenn ein Fahrradtag zu Ende geht, freut man sich natürlich auf eine heiße Dusche und einen schönen Stellplatz fürs Zelt. Und da ist das Camping-Land Frankreich natürlich spitze. Viele Plätze haben ein „Accueil Vélo“, mögen also Radfahrer besonders gerne und locken mit tollen Preisen und so mancher Annehmlichkeit. In Pouzols-Minervois steuerten wir einen kleinen Campingplatz an, der mitten in den Weinhügeln malerisch in der Abendsonne lag. Dort wurde uns für 3€ Aufpreis (also 15 Euro statt 12 Euro) gleich mal ein Chalet angeboten, das wir vor lauter Schreck erstmal ablehnten…“no, no…la tente“…die Sonne war dann aber schnell weg und die Dame meinte, wir könnten auch reinhocken, wenn es uns zu kalt wird. Einmal drin, wollten wir natürlich nicht mehr raus :)

Bis Carcassonne suchten wir uns dann auch mal eigene Wege abseits des Kanals. Es wurde hügeliger und landschaftlich wunderschön! Mediterran und die oft über 3000 m hohen Zacken der Pyrenäen in der Ferne schon in Sichtweite. Ganz oben weiß gezuckert. Herbst! Wir hatten das ja schon. Am späten Abend rollten wir auf den Camping nahe der Stadt. Über die alte Brücke kommend hat man einen umwerfenden Blick auf die Cité de Carcassonne! Wie sie da lag, die alte Burganlage, in der Abendsonne, wie im Märchen!

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