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Come for a day – stay for a week!

von sabbatradler
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Cooler Slogan, oder? Allerdings passt er zum folgenden Beitrag besser als zu seinem Ursprungsort. Verwendet wird er vom Hotel Prau Riu bei Llanes – ihr wisst schon, dem Musiker-Hotel in Llanes! Da waren wir nur einen Tag, in Viveiro jetzt aber eine Woche. Warum das denn?

Gekommen waren wir in den Etappenort Viveiro, wie in so viele Orte auf unseren Radreisen, für ein Abendessen und eine Übernachtung. Der geschichtsträchtige Ort liegt in der als La Mariña bekannten Küstenregion im Tal, das durch den Fluss Leandro gebildet wird. Gut 16 000 Einwohner hat die Gemeinde und ist damit die drittgrößte in der Provinz Lugo.

Hübsches Örtchen, nicht wahr!?

Moment? Was sollen diese Details? Ist euch langweilig? Nun ja, „we stayed for a week“ – manchmal zwingen einen komische Tests, die seit 2020 üblich sind, dazu, seine Pläne zu ändern. Da schaut man im ersten Moment erst mal so:

Aber, wenn eine Sache nicht passiert oder passieren kann, passiert eine andere: Kopf hoch, optimistisch bleiben. Da war also plötzlich Zeit, viel Zeit, einen eigentlich kleinen Ort, den man normalerweise im Vorbeigehen mitnimmt, genauer unter die Lupe zu nehmen. Und es war spannend, was man da so alles entdecken und trotz des kleines Radius erleben konnte (Anm.: in Spanien gibt es keine Quaranäte mehr und wir haben uns – beim Konsum – ausschließlich draußen aufgehalten).

Kein Interesse am geschichtlichen Hintergrund, dann spring zur nächsten Zwischenüberschrift!

Erstmal ein bisschen Geschichte: Schon in der Eiszeit siedelten hier die ersten Menschen, später lebten keltische Stämme an diesem Ort und auch unter römischer Herrschaft war die Stadt. Arabische Invasionen fehlten genauso wenig wie dreierlei Angriffe durch die Wikinger! So wie Viveiro heute aussieht, wurde es im 12. und 13. Jahrhundert angelegt. Nach weiteren vielen Kriegen und langem Widerstand gegen allerlei Könige und Bischöfe kam Viveiro in der Neuzeit an. Hier brachte der Anbau von Flachs (das Allgäu lässt grüßen!), sowie von Wein und Früchten ersten Wohlstand. Seit jeher ist der Ort aber auch ein wichtiger Handelshafen. Von Viveiros Fischmarkt werden jährlich über 10 000 Tonnen frischer Fisch und Meeresfrüchte in Galicien, nach Kantabrien und andere Teile der iberischen Halbinsel verschoben!

Ach ja, der unvermeidliche Napolen kam natürlich auch noch vorbei – irgendwann wurde es aber dann ruhiger: Im 19. Jahrhundert entstand intensives kulturelles Leben, Stichwort „spanische Romantik“. Die Diktatur und die Zweite Spanische Rebublik gingen an Viveiro indes eingermaßen spurlos vorbei – vielleicht half die geografische Abgeschiedenheit da ein bisschen mit. Jedenfalls gab es hier keine Kirchenverbrennungen so wie im übrigen Spanien.

Wir entdecken Viveiro

Wir rollten aus Burela kommend in die Stadt, direkt vorbei an einem ihrer Traumstrände. Und wenn wir nicht beide schon recht angeschlagen gewesen wären – wir hätten baden müssen!

So ruhig, so schön, so warm – und wir nicht fit. Nur schauen, nicht baden!

Wir wollten aber lieber schnell in unser Hotel, für das wir uns im Vorfeld (nach längerer Diskussion) entschieden hatten. Obwohl es etwas über unserem geplanten Budget lag, plädierte ich dafür – die Lage direkt im Ort, so dass alles fußläufig erreichbar ist und das moderne Ambiente. Da hatte ich zugegebernermaßen mal wieder Lust drauf ;) Im Nachhinein stellte sich die Entscheidung aber umso mehr als goldrichtig heraus, denn so konnten wir die Fahrräder eine Woche ganz stehen lassen und die Genesungs-Tage mit Spaziergängen an der Waterfront und durch die mittelalterlichen Gassen gestalten.

Die Lust auf Kaffee und Snacks war uns gottseidank auch nicht vergangen und die vielen kleinen und größeren Bars und Pulperias wollten zunächst entdeckt und in der Folge auch ausprobiert werden. Vier lokale Spezialitäten durften wir dabei kennenlernen: Churros (herrlich knusprige Fettstangen), Raxo (mundgerechte Stückchen Schweinefleisch mit Kartoffeln :)), Caldo Gallego (Omas Grünkohlsuppe, ohne Foto, im Bild: Rezept und Zutat) und Pulpa a la „Feira“ (Tintenfisch in Olivenöl – sehr fein!):

Teilweise kamen wir uns vor wie auf Kur, so gemächlich, wie wir regelmäßig den Maritime-Walk abschritten und dabei von Tag zu Tag neue Details entdeckten.

Immer wieder neue Blicke auf die weiß getünchten Häuserfassaden mit ihren verglasten Galerien – typisch galicisch und in Perfektion (angeblich, wir waren ja noch nicht dort) in A Coruña zu betrachten. Sehr ansehnlich aber auch schon hier!

Aus dem ehemaligen Hotel „Venezia“ und dem heutigen Musik-Konservatorium drangen immer wieder Dudelsackklänge einer „Gaità“ zu uns vor und erinnerten daran, dass der keltische Einfluss in der Region nicht zu vernachlässigen ist. So klang das:

Mehr dazu hier.

Das Konservatorium in seiner ganzen Pracht

Auch die Geschichte des Untergangs der Santa Maria Magdalena vor Viveiro (1810) ist eine spannende Geschichte. In schwerem Stum ging das Schiff unter, nur drei von insgesamt 483 Menschen an Bord überlebten. Wenn Kanonenrohre Geschichten erzählen könnten…wer ein bisschen mehr wissen mag, es gibt einen Wikipedia-Eintrag auf Spanisch.

Auf den ersten Rundgängen ging es wie immer um den ersten Eindruck, das Bauchgefühl, wie tickt die Stadt:
– Was laufen hier für Menschen rum? Vorwiegend ältere, sehr zurückhaltende Spanier und Spanierinnen, aber auch indonesische, peruanische und kapverdische Gastarbeiter, die auf den Schiffen arbeiten.
– Welchen Gesamteindruck macht die Stadt? Im Zentrum der Altstadt eine sehr guten, heimelig, sehr sauber, mit interessanten Bauwerken und auch nach vielen Runden nicht langweilig. Weiter draußen: eher einfach, Wohnblöcke, teils etwas „run down“.
– Wie ist das kulinarische Angebot? Sehr ordentlich – in den Abendstunden sind die Gassen und Plätze mit kleinen Fässern (als Tische), Hockern und vielfältiger Bestuhlung für den kosumfreudigen Gast vorbereitet. Außer am Sonntag Abend und am Montag – das sind die ruhigen Tage, übrigens in ganz Spanien.

Im Mittelalter hatte die Stadt ein gänzlich ummauertes Gelände. Dies wurde auf sehr anschauliche Weise sichtbar gemacht.

Interessant ist auch, dass Viveiro in diesem alten Teil zwei fast parallele Hauptstraßen hat, eine inner- und eine außerhalb der Stadtmauern. In diese münden alle kleinen Straßen, die den Hang herabkommen. Verlaufen ist also praktisch unmöglich.

Immer wieder erreicht man kleinere und größere Plätze wie den Plaza Mayor oder den Fontenova, die manchmal unvermittelt auftauchen, wenn man zwischen den engen Granit-Fassaden der Häuser umherwandelt.

Vier große Tore gewähren Einlass in die Altstadt, lediglich drei davon sind allerdings nur noch erhalten.

Eines der alten Stadttore – Carlos V.

Wer mal drin ist, findet dann – früher oder später – auch die großen Kirchen. Die Santa María del Campo ist dabei das älteste religiöse Gebäude der Stadt, man schätzt den Bau auf das 12. Jahrhundert.

Ziemlich abgefahren ist auch das Kloster der Empfängnis, ein Renaissancegebäude, das von Klosterschwestern bewohnt wird. Hier gibt es tatsächlich eine maßstabsgetreue Reproduktion der authentischen Grotte von Lourdes. Wer hätte das gedacht – zweimal Lourdes auf einer Reise!

Seitlich der Kirche und des Klosters von San Francisco gibt es eine Dauerausstellung, die Einblick in die Karwoche von Viveiro gibt. Ein Spektakel, das Touristen aus aller Welt anzieht und das seit Ende des zweiten Weltkriegs jährlich stattfindet. Die Ausstellung lässt einen staunen, ebenso wie das verlinkte Video – unglaublich und faszinierend, was es alles gibt!

Ja und dann, die vielen kleinen Beobachtungen, Begegnungen und Erlebnisse: Das schreiende Geplapper der Seniorenrunde und das verschmitzte Lächeln des Chefs bei unserem traditionellen“ Churro-Frühstück im „A Ribeira“ gegenüber des Marktes…

…hatte ich Markt gesagt? Oh ja!

Der Kuchenservice beim Nachmittagskaffee im „El Tigre“, der herzzereißende Service des Senior-Chefs beim Kauf einer Gaskartusche im örtlichen „Expert“, hier das Geschäft in der Außenansicht.

Die strahlenden Augen des Wirts beim Mittagessen im ORinconDoTronco (als er unsere Pulpo-Premiere begleiten durfte) und so vieles mehr. Wie zum Beispiel auch die Story des „Maradona de Galdo“. Heute zieht er als stets gut gelaunter Los-Verkäufer durch die Altstadt. Seine früheren Heldentaten präsentiert er stolz auf seiner jetzigen Berufskleidung.

Das ist er, der „Maradona de Galdo“

Eine bekannter spanischer Bierhersteller hat ein wunderbares Video mit ihm produziert – gedreht in…na klar, Viveiro! Im Video kann man noch mal die Schönheit des kleinen Ortes bewundern. Und natürlich Hermelin Ben Chao, einen wahren Künstler am Ball. Viel Vergnügen!

Eine Woche in Viveiro. Wir fühlten uns mittendrin. Wir waren sicher nicht dabei, dazu fehlte die Sprache und noch viel mehr Zeit. Sicher waren wir aber auch schnell stadtbekannt. Zwei nicht-spanische Touristen, die hier dauernd in Dauenjacken rumspazieren. Das fällt schon auf! Immer öfter erhaschten wir ein Lächeln in unseren Stammlokalen. Es ist schon auch lustig, wie schnell Gewohnheiten entstehen, wie schnell man in nur einer Woche Rituale entwickelt, eine Tagesstruktur entsteht.

We came for a day – we stayed for a week. Danke Viveiro, wir haben uns wohlgefühlt!

Wenn ihr mal in Galicien seid – go there, at least for a day ;)
Update: Übrigens – auch das findet hier statt!! Das Resurrection-Festival…ich glaub‘, ich komme wieder, muss wiederkommen!

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