13.08.2011 (k) – Zadar – Sibenik: km Hm
Nach dem Cappuccino und dem obligatorischen Weißbrot-Käse-Salami-Nutella-Gestopfe verlassen wir den Camping Zadar zu bereits fortgeschrittener Vormittagsstunde. Nach Sibenik rechnen wir mit ca. 70 Kilometern, also keine Eile angesagt. Auf bekannten Wegen (ziemlich genau die „Ullmann“-Strecke, die wir vorgestern Abend noch gefahren sind, auf der Suche nach dem Radladen) lassen wir die Stadt hinter uns, um gleich noch am Ortsrand eine steile Rampe hinauf zu schwitzen, die das Meer vom „Hinterland“ trennt. Die Küstenstraße, die hier vierspurig ausgebaut ist und keinen Ausblick Meer bietet, oder ist es nur der Autobahnzubringer – liegt vor uns, doch wir suchen eigentlich eine „kleine, weiße Straße“ wie es so oft heißt. Diese scheint allerdings nur in unserer Karte zu existieren – dessen sind wir uns nach gut 15 Kilometern Irrfahrt zum Flughafen und zurück und über die Schnellstraße hinüber in Richtung Küste und zurück auf einer kleinen Teerschlange, bis wir nach 40 Minuten 200 m weiter also zuvor auf einer Dreckstraße enden – sicher. Wir entscheiden uns für diese, denn auf die Schnellstraße will keiner. So passieren wir die Landebahn des Flughafens und auch einige Minenwarnschilder – wir haben sogar den Eindruck, uns „hinter“ den Schildern zu befinden. „Stay to concrete“ heißt es doch immer – wir sind froh, als eine Teerstraße erscheint und wir uns endlich kurz darauf auf der gesuchten Route befinden. Immer schwierig zu umfahren, diese Flughäfen! Gott sei Dank ist der Wind heute mit uns, wenn wir schon solche Umwege in Kauf nehmen müssen, noch dazu in landschaftlich wenig spektakulärer Gegend. Einzige Abwechslung ist eine Tankstelle am Straßenrand, die mit kaltem Wasser und Schweppes lockt. Gegen Nachmittag passieren wir den Vransko See, von dem wir aber nichts se(h)en, weil die Straße nicht direkt am Ufer verläuft. Dörfer gibt es kaum auf der Strecke, vielmehr fahren wir wieder durch ein Ruinenmeer. Zerschossene, verlassene Häuser. Haben Serben hier gewohnt? Waren es Kroaten, die getötet wurden? Wir können immer nur spekulieren, doch die Schäden sind großflächig und massiv. Nur wenig Leben keimt zwischen den Häusergerippen, die uns wie Totenschädel mit ihren hohlen Fratzen anglotzen als wollten sie uns und alle, die diesen Anblick ertragen müssen, warnen: macht das nie wieder! Sorgt dafür, das so etwas nie wieder passiert! Doch wie viele „nie wieder“ hat die Geschichte schon zu lehren versucht? Einige Kilometer lang ist ein Anstieg – ein Tal hinauf. Rechts und links zu Steinhaufen verkommene Häuser – ein ganzes Dorf in seiner vollen Länge – scheint ausgelöscht worden zu sein. Kein Stein steht mehr auf dem anderen, keine Menschenseele weit und breit, nur hin und wieder der Geruch eines verwesten Tieres, der sich hervorragend in das Ambiente einfügt. Das „Krasse“ ist – und dieses Wort wird wohl zum Wort dieser Reise – dass das Grauen hier nicht so lange zurückliegt. Bilder des Krieges, Einzelschicksale und menschliche Abgründe sind für uns bis dato vor allem verbunden mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs. Man ist daran gewöhnt, vielleicht auch schon etwas abgebrüht, zumindest liegt ein gewisser historischer Deckmantel darüber. Hier aber ist alles noch so neu. Die Zerstörung liegt nicht einmal 20 Jahre zurück, alles wirkt, als wäre es gestern gewesen und das macht es so unglaublich für uns. Und das macht leider auch ein „nie wieder“ so unglaublich. „Nie wieder“ wird es wohl nie geben.
Die Hitze und die Länge der Etappe schlauchen mich ziemlich, doch immerhin haben wir noch immer Rückenwind und die größtenteils kleinen Feldwege oder Nebenstraßen, die wir befahren, machen das Ganze interessant. Kurz vor Sibenik biegen wir auf eine Hauptstraßenumfahrung nach Zaton ein und werden überrascht von einem kleinen, venetianisch anmutenden Ort, malerisch an einer Bucht des Proklansko Sees gelegen, der sich aus dem Fluss Krka speist und offen mit dem Meer verbunden ist, weshalb das Ganze eher wie ein Fjord wirkt. Wir überbrücken die Mündung der Krka, während sich Bungeejumper neben uns 40 Meter hinunterstürzen und müssen noch die letzten „Körner“ aus uns herausholen, um die steile Einfahrt in die mittelalterliche Stadt zu bewältigen. Der Campingplatz liegt weitere 7 km außerhalb – für uns ein klarer Aufruf, einen Supermarkt zu stürmen, alles Nötige zu raffen, um sich dann ja nicht mehr vom Thermarest-Stuhl erheben zu müssen. Es sei denn, um ins Meer zu hüpfen. Steffi und Markus, die anfangs vorhaben, nochmal in die Stadt zur Besichtigung zu radeln, werden von der Tatsache überzeugt, dass wir schon 100 Kilometer geradelt sind und dass es außerdem schon 19.00 Uhr ist. Wir kaufen also zusammen ein und strampeln noch tapfer bis zum Camp – ein kleiner Pinienplatz direkt am Meer. Der schönste für uns bisher. Keine paar Meter vom Wasser stellen wir unsere Hütten auf und sind glücklich.
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