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Pilger-Hype

von sabbatradler
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Da waren wir also: Santiago de Compostela. Ein Mythos, ein hoffnungsvoller Klang im Ohr mancher Gläubiger, ein paar Buchstaben auf manch einer Must-Have-Been-There-Bucket-List. Der Marsch von außen in die Stadt, meinte Molle, könnte für so manchen Pilger noch ernüchternd sein. Eigentlich ist man doch schon da, aber man läuft durch Gewerbegebiete und an befahrenen Straßen noch einige Kilometer entlang, bis man die Gassen um die Kathedrale erreicht. Das fühlt sich dann wohl eher nervig als mythisch an. Für uns mal wieder egal – wir hatten uns auf dem Cammpingplatz installiert und waren dann mit den Rädern ins Zentrum hinuntergedüst. Dadurch, dass die Altstadt unten in einem Kessel liegt, sieht man die Kathedrale gar nicht auf den ersten Blick, doch ist sie unschwer zu finden, folgt man einfach seinem Herdentrieb.

Es ist der 12. November doch Ruhe war hier noch keine eingekehrt. Die Gassen in der Alstadt waren für unser Gefühl „rammelvoll“ – aber es war ja auch mal wieder Samstag! Da feiern die Spanier gern und spanische Touristen waren hier auch viele zu finden. Ein Dudelsack beschallte den Weg zur Praza do Obradoiro – dem Hauptplatz vor der Kathedrale. Auf dem Platz herrschte eine freudige Atmosphäre. Pilgergruppen lagen sich in den Armen, Rucksäcke am Boden, Reisegruppen folgten Fähnchen, Fahrradgruppen versuchten die besten Selfies mit Bike und Kathedrale zu schießen, Menschen saßen auf den noch warmen Steinen und genossen den Blick auf das mächtige Bauwerk, mit dessen Bau im Jahr 1075 auf den Überresten einer alten Kirche und den angeblichen Überresten des Apostels Jakob begonnen wurde.

Ich sah mir das Innere und den Hochaltar an, Molle machte draußen den Fotografen für Pilger oder manche, die sich nun einfach auch unbedingt als Jakobswegabsolventen bezeichnen wollen, da sie das offizielle „Minimum“ (100 km zu Fuß, 200 k m mit dem Rad) mehr oder weniger erfüllt haben.

Wir beobachteten das Treiben an diesem Nachmittag und frühen Abend, als die Sonne eine besonders schönes Licht auf das ganze Ambiente warf und am nächsten Vormittag noch einmal, an dem Molle dem Inneren noch einen Besuch abstattete. Kurz vor dem Gottesdienst, was unschwer zu hören war: 

Im Gegensatz zu Lourdes hatten wir hier nicht das Gefühl, dass Besinnlichkeit, Ehrfurcht oder Andacht an diesem Ort im Mittelpunkt stehen, sondern, dass es den meisten darum geht, ihre Ankunft zu feiern und eine sportliche oder was auch immer persönliche Leistung erbracht zu haben. Und das muss natürlich auch alles auf Social-Media festgehalten werden – auch wenn man dabei fünfmal über den Platz „Good Morning Santiago!“ brüllen muss, bis das Video im Kasten die Insta-Freigabe bekommt. 

Santiago als Partymeile – wer möchte, kann hier einen erst kürzlich erschienenen Stern-Artikel lesen, der das ganze Ausmaß des Massentourismus hier treffender als ich es könnte, beschreibt. Die bloßen Zahlen lassen aufhorchen: jährliche Jakobsweg-Absolventen in den 70er Jahren: ein paar Dutzend, Jakobsweg-Absolventen 2022 bis November: 430 000!

Unser Weg führte uns noch zum Bahnhof, um Tickets für morgen nach Vigo zu kaufen. Wir mussten nun etwas Strecke machen, das nächste Atlantiktief rollte mit Regen und Sturm auf Galicien zu. In der Nähe des Bahnhofs fanden wir Huis Kitchen. Einmal wieder zu unserer großen Freude „ein echter Chinese“. Wir buchten nach dem Essen sogleich einen Tisch für morgen Mittag. 

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