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Sicilia … oder la poubella?

von sabbatradler
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Castellammare del Golfo ist unser Ziel für den Abend und der Weg dahin soll vor allem über kleine Straßen führen. Das ist zum einen der Fahrweise der Italiener geschuldet, die sich hier auf Sizilien natürlich auch nicht anders darstellt als im Rest des Landes – oder vielleicht sogar noch schlimmer – und zum anderen der Tatsache, dass kleine Straßen zum Radfahren im Regelfall besser geeignet sind und natürlich malerischer. So hatten wir uns das ausgemalt. Um es kurz zu machen: Diese erste Etappe auf Sizilien war absolut das Gegenteil. Es fängt noch kurz recht vielversprechend an – mit einem Radweg (dass man darauf parkt – egal ;-)!

Kurz darauf kämpfen wir uns ewig durch Gewerbe- und Industriegebiete bei Capaci, dann schlängeln sich neben uns tausende Autos die steilen Dörfer hinauf über Carini nach Montelepre – das Gebiet ist einfach viel zu besiedelt! Ein ruhigeres Stück durch schönen Wald könnte eine Radlerfreude sein, doch den Müll in den Kurven können selbst die Blumen nicht weglächeln und die Strecke lässt Freude nicht recht aufkommen.

Als wir dann ab Partinico hoffen, die ausgewählte Strecke vorbei am Lago Poma könnte autofrei und sehenswert sein, so ist sie zwar Ersteres, aber dafür eine einzige Müllabladestraße. Wir fahren regelrecht durch eine kleines Müll-Tal. Kilometerlang säumt abgeworfener Haus- aber auch Sperrmüll die Ränder der kleinen, zerfallenen Teerstraße. Puh! Da sind wir echt geschockt.

Illegale Müllentsorgung ist ein Thema auf Sizilien, auch dazu kann man viel finden. Auch hier mit Mafiabeteiligung. Wer legt den Müll hier ab und warum? Ist das im großen Stil, fragen wir uns. Oder Leute, die Geld sparen wollen? Wie kann man das machen, wie alt ist der Müll? An vielen Stellen ist auch schon Müll verbrannt worden – hinten im Tal brennt ein stinkendes Feuer. Willkommen auf der schönsten Insel Italiens! Bäh – oder in der schönsten Mülltonne (frz. Poubelle)? Dieser Müll verunsichert uns. Er führt dazu, dass wir mit einem Schlag das Vertrauen in kleine Straßen hier verlieren. Mit einer Schotterstrecke und abschließend extrem steilen Teer-Rampen bestreiten wir den weiteren Weg bis Alcamo. Fast kein Müll auf dieser Strecke mehr, stattdessen bestens gepflegte Weinhügel und Felder.

Die Unsicherheit aber bleibt. Was verbirgt sich hinter der nächsten Abzweigung – wie geht der Weg weiter? Müll, Hunde oder beides? Alcamo ist ein nettes Städtchen und wir kehren noch auf einen Feierabendkaffee ein, bevor wir die Abfahrt zum Campingplatz Nausicaa angehen. Auf einer Nebenstraße durch die Felder, recht entspannt in der Abendsonne. Ach, ist das schön hier! Äh, ups, da ist sie wieder: ne Ecke voll Müll – und noch eine – und …! Mal abwarten, wie das weitergeht!

Schön, wenn man dann in den Campingplatz mit Recyclingtonnen einbiegen darf … von hier sieht alles so idyllisch aus und irgendwie auch trügerisch, oder?

Zweite Chance

Na klar, jeder bekommt eine zweite Chance. Und eine dritte. Und dann noch eine, so machen wir das doch immer, als Pädagog:innen. Also: Heute die zweite Chance für kleine Straßen in Sizilien. Die wenigen Kilometer auf der SS 187 hinauf über Castellamare del Golfo genügen ja auch, um eine Entscheidung zu treffen: Lass uns abbiegen, irgendwie anders geht es auch da rüber!

„Da drüben“ – dort wollen wir hin: Zum Camping El Bahira südlich von San Vito Lo Capo. Wieder mal kurz gesagt: Wir finden eine Route zwischen dem Bergrücken dessen Naturreservat „Zingaro“ wir nicht mit Rädern betreten dürfen und dem Monte Sparagio.

Die steile Schotterstraße, die uns von Castello di Baida auf über 600 Meter gebracht hat verwandelt sich oben in eine sensationell gut erhaltenes Teerband. Lustig. Und niemand da außer ein paar Arbeiter im Panda. Wir kochen eine Suppe und genießen dann die Abfahrt. Unten an der Provinzialstraße SP 16 angekommen drehen wir uns um und sehen ein Schild, dass die Benutzung der Straße nicht erlaubt ist. Wegen Steinschlags. Eine Straße, die eigentlich eh niemand (mit Auto) benutzen kann, da sie nie fertiggestellt wurde. Warum die Verbindung aufgegeben wurde ist uns allerdings egal, toll, dass wir da so drüber kamen. Auf der anderen Seite hatten wir einen alten Dorfbewohner in seinem Garten gefragt, ob die Straße durchgehe und offen sei und in der hier üblichen Mentalität („was kümmert mich die Verordnung, Regel oder das Schild?“) Hatte er geantwortet: Klar, die ist offen, ein bisschen hart vielleicht, aber mit den Rädern könnt ihr fahren“.

Gute Entscheidung. Wir rollen noch hinunter bis kurz vor San Vito und schwenken ein in den Camping El Bahira – ein riesiger Campingplatz unter Pinien und direkt am Meer. Er liegt hinter einem Felsplateau und ist wohl ein Eldorado für Kletterer. Ein paar sind schon da, aber an Pfingsten sieht es hier sicher anders aus.

Wir treffen uns mit Christian und Martina mit Familie, die die Osterferien auf Sizilien verbracht haben und morgen zurück müssen.

Ein gemütlicher Abend mit Ratschen und Feuerschale und zuvor ein Bad im Meer, das gar nicht mehr so kalt ist. Fühlt sich an wie Urlaub. Und heute war quasi gar kein Müll zu sehen. La piu bella isola!

Weil es hier gar so schön ist und unsere Freunde noch bis nachmittags da sind, verbringen wir einen Pausetag vor Ort. Zum Baden ist das Wetter heute auch nochmal geeignet, wenn es auch schon wieder etwas kühler und windiger ist. Eine Runde schwimmen sollte drin sein – wir messen die Wassertemperatur und die Uhr zeigt 18 Grad. Das ist wesentlich wärmer als zuletzt im Dezember in Spanien.

San Vito Lo Capo gibt nichts her, wir machen einen kurzen Abstecher in den Ort, aber er scheint ein reiner Touristenort zu sein, der im Sommer sicher brutal überlaufen ist. Da fahren wir lieber über den tollen Felsdurchbruch und die „Strandroute“ zurück zum Cammping und genießen Essen und Sonnenuntergang am Platz.

Auf verbotenen Pfaden

Markant steht der Monte Cofano am Ende der Bucht und ragt mit seinen 657 Metern in den Himmel. Beinahe stolz sieht er dabei aus und muss natürlich ständig fotografiert werden, je näher wir ihm kommen.

Auch der Blick zurück entzückt. Und die Brandung, die durch die Felslöcher emporschießt wie ein Geysir.

Die ganze Blütenpracht des Frühjahrs ist mittlerweile ausgebrochen und tobt sich auf den Wiesen aus. Wir möchten um das kleine Kap des Monte Cofano herum, um auf einen kleinen Campingplatz in Cortigliolo zu kommen.

Eine Mountainbikestrecke führt herum und Christian ist diese auch schon vorgestern gefahren. Er meinte zwar, wir müssten einiges schieben, aber es sollte gehen. Recht sollte er behalten. Bis zum Wehrturm im Westen der Bucht (Torre della tonnara die Cofano) fährt es sich noch wunderbar „Typ Gravel“.

ann beginnt ein Wanderpfad, der sehr mit Steinen durchsetzt ist. Schieben geht aber recht gut und so pushen wir uns voran über die nörliche Seite bis zum nächsten Wehrturm auf der westlichen Seite. Gut 2 Kilometer sind das, etwas Höhe noch aber alles machbar. Hin und wieder kann man auch ein paar Meter fahren und die anderen Wanderer ohne Fahrrad sind auch nicht schneller. Eine spektakuläre Strecke mit tollen Ausblicken und vor allem: autofrei!

Durch ein Blütenmeer geht es hinunter nach Cornino. Als wir den Fußweg rüber zum Parkplatz schieben und die Räder abstellen sehen wir ein Schild: Durchgang verboten zwischen 31. März und Ende April! Aha! Ein kleines Schild – aber scheint ja mal wieder niemanden zu kümmern. Auf der großen Touristentafel ist der Weg dann noch als generell verboten markiert und mit Kreppband überklebt. Na, auch das scheint die Wanderer, die wir getroffen haben, nicht abzuhalten. Und wir sind froh, dass wir das Schild erst danach wahrgenommen haben, sonst hätten wir uns vielleicht abgehalten von dieser tollen Strecke.

Unser Plan geht jedenfalls auf. Mit dem Monte Cofano im Rücken und auf einem – zumindest für kurze Zeit – unsinnig echten Radweg düsen wir mit kurzem Mittagsstopp (Couscous steht hier für die afrikanisch-sizilianische Küche) nach Cortigliolo.

Traurig zu sehen, wie hier ehemalige Investitionen in Infrastruktur jäh enden bzw. wie ganz konkret die als großes Projekt angelegt SIBIT-Radroute zwischen Trapani und Syrakus dem Verfall ausgesetzt ist. Ein länderübergreifendes EU-Projekt sogar mit Beteiligung Tunesiens – sowas liest sich immer so toll und es scheint: Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit (frei nach Tocotronic).

Wir checken am Campingplatz ein und stürzen uns kurz darauf ohne Gepäck in die Serpentinen, die hinauf nach Erice führen. Ein mittelalterliches Dorf auf dem Berg, der hier allein als Bollwerk vor der Ebene Trapanis steht. Auf 750 Meter müssen wir hinaufkurbeln, es wird immer kühler, logischerweise, doch die Sonne ist noch bei uns. Nur sehr wenig motorisierter Verkehr schlängelt sich mit uns nach oben – ein Rennradpass, wie er im Buche steht.

Die meisten Touristen haben den Ort für heute schon verlassen, wir holpern etwas durch die Gassen und sehen uns um.

Tolle Lage, tolles Dorf, aber wieder dermaßen touristisch, dass wir „keinen Auftrag“ haben. Wir können damit einfach nicht so viel anfangen – Souvenirshop an Souvenirshop an „Feinkostladen“. Es wird kalt in den Gassen, ein Eiswind pfeift hindurch – ein Foto noch von der Chiesa Madre und hinunter vom Berg!

Nach dem Einkauf im Supermarkt von Valderice wählen wir kleine Sträßchen zurück zum Camping. Eine malerische Abfahrt in Richtung Meer und dann … oh Schreck … ein großer Müllablageplatz in einer Kurve! Ein Mann durchstöbert ihn nach Brauchbarem. Vielleicht muss man sich einfach daran gewöhnen hier. Erice jedenfalls versucht Charme zu versprühen und leuchtet in die Nacht hinein.

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