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Aus il mare wird la mer wird el mar

von sabbatradler
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„Hier fahren wir nicht noch mal!“ …oder etwa doch?
Also wieder mal Toulon. Hier wollten wir doch nicht mehr her und schon gar nicht erneut an der Côte d’Azur radeln.

Tun wir trotzdem. Warum? Nun ja, wenn man so in und mit der Natur und ihren Phänomenen reist, kann man – wenn einem Regen, Gewitter, Sturm und Co nicht gänzlich egal sind – schon zum kleinen Meteorologen heranreifen. Nicht zuletzt kann es ja sogar, in Zeiten immer extremer werdender Wetterphänomene, sicherheitsrelevant sein, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Das Wetter im Frühjahr 2023 steht also Kopf, „High over low“, Omega-Phase, Skandinavien- statt Azorenhoch. Für den Mittelmeerraum bedeutet dies stabile Tiefs. Nicht mit Dauerregen zwar, aber mit sehr labilen Luftschichten, die gerne mal unwetterartig auffällig werden. Schnell finden wir jedoch heraus, dass das für die Küsten nur bedingt gilt und hier zumeist relativ gute und trockene Bedingungen vorherrschen. So passen wir unseren Routenverlauf einfach wieder mal an und beschließen, ein paar Tage an der Côte d’Azur zu fahren und Sonne, Strand, Sand und Meer zu genießen. Aus ein paar Tagen werden allerdings schnell drei Wochen, da die Bedingungen – wie vom spanischen Wetterdienst Anfang Juni prophezeit – den ganzen Monat so bleiben sollen.

Radeln wir also etwas an der blauen Küste Frankreichs. Allmählich streifen die Boote ihre Plastik-Schlafanzüge ab, die Strände füllen sich, das süße Sommerleben beginnt.


Aber hey, schon okay! Wir sind uns des Luxus’ bewusst, frei entscheiden zu können und die meisten Wege, die wir nehmen, sind uns neu. Im Spaß sagen wir manchmal: „Ist doch egal, wo wir fahren, wir kennen ja eh nix!“ Und tatsächlich gibt es sogar in Regionen, in denen wir schon viel waren, wieder Neues zu entdecken – wie z.B. den Strand Leucate-Plage (wir bleiben gleich mal drei Tage).

Oder wir verweilen an Orten, durch die wir einst durchgebraust sind, so z.B. die Baie de Cousse bei Beaucours, wo wir dieses Mal auf den Camping ziehen und in der Bucht ausgiebig baden.

Oder wir fahren Strecken erneut, wie z.B. die Route de Crêtes von La Ciotat nach Cassis und haben schon wieder vergessen, wie steil die Auffahrt (11% im Schnitt) und wie schön die Ausblicke (sehr!) und wir krass steil die Abfahrt (30%) tatsächlich sind.

Über den Calanques ein toller Amboss:

Nachdem wir den Abschnitt von Cassis über Marseille (Café au lait-Stopp)

nach Leucat per Zug überbrückt haben, nicht ohne den lieblichen Campingplatz in Lunel bei einem Overnighter kennengelernt zu haben, wird’s wirklich neu.

Ach ja, für alle aufmerksamen Leser: Es war wieder mal der erste Sonntag im Monat – einen Tag lang TER fahren für 1€ (siehe „Für 2€ in die Sonne“).

Ab Leucate-Plage mit seinem herrlich langen feinen Sandstrand und seinem gemütlichen Camping Municipal folgen wir der Küstenlinie bis Banyuls sur-Mer.

Landschaftlich und fahrradtechnisch (schaut euch mal solche Fahrrad-Brücken an!) wirklich sehr gut zu fahren und garniert mit dem ein oder anderen Noisette-Stop und knusprigen französischen Croissants und Baguettes fühlt sich das an wie Urlaub. Eine süße Pause … wenigstens gibt es hier nicht mehr so übelst viel Süßkram wie auf Sizilien.

Schnell ist eine Woche vergangen. Und das Wetter im Hinterland tobt sich weiterhin ab Mittag mit heftigen Gewittern aus. Wir bleiben also der Küste treu.

In Banyuls zweigt der wunderbare kleine Pass „Col de Banyuls“ ab, der gut geteert eine Verbindung nach Spanien darstellt. Genauer gesagt nach „Catalunya Nord“. Wie an so vielen spanischen Grenzen wird auch hier wieder für Unabhängigkeit plädiert und diese Grenze für sinnfrei erklärt, da das wahre Catalunya ohnehin bis nach Frankreich reicht. Also auch hier „This is not France nor Spain“. Wie wäre es mal mit dem Gedanken, dass sowieso alles eine Welt ist?

Jedenfalls ist der Passübergang mit Steinen verbarrikadiert und von spanischer Seite ist die Strecke für Autos gesperrt.

Wir haben nichts gegen diese autofreie Radroute! Sie ist etwas steil und es ist heiß, aber dafür haben wir am Fuß des Passes im Weingut Berta-Maillol nach einer Kostprobe auch drei Flaschen Wein gekauft (rosé, rot und Süßwein), die wir nun zusätzlich schleppen.

Der aktuelle Senior-Winzer der über 400 Jahre alten Domaine meint nur, jetzt kämen wir richtig gut auf den Pass, denn wir hätten ja jetzt guten Stoff dabei. Und außerdem sei er nicht geimpft – seine Tochter hingegen schon, und die sei krank geworden. Er hingegen halte sich eher an den Rotwein als Medizin.

Auf dem Weg hinter ins Tal konnten wir vorher noch einen Pumptrack testen und den Efeu bewundern, der hier alle Freiheiten hat.

Nach dem Weingut passieren wir die Reben, die für den Wein verantwortlich sind. Nur ein Verrückter könne diese Arbeit hier machen, hatte der Winzer noch gemeint als ich fragte, ob die Arbeit auf den kleinen, steilen Weinterrassen hier nicht doch auch sehr schwer sei. Man kann es sich vorstellen. Gut, dass es genügend Verrückte gibt.

Der Pass erfreut mit Rampen über 15%, doch er ist nicht allzu hoch, es ist trotz Weinprobe schaffbar.

Wir rollen durch sengende Hitze am Fluss l’Orlina entlang in Richtung Espolla, wo wir einen Kaffee trinken wollen. Schnell merken wir, dass wir wieder in Spanien sind, sitzen doch im einzigen geöffneten Lokal des Ortes um 14:30 Uhr alle beim Mittagessen. Das Personal ist heillos überfordert und so bleibt uns Kaffee-Auftakt in Spanien hier aus. Die ersten Straßenschilder verweisen auf „Figueres“ und so knüpfen wir quasi an unsere Route aus dem letzen Herbst/Winter wieder an. Zu unserer Verwunderung passieren wir Reisfelder – Störche waten im Wasser und suchen nach Nahrung.

Die schönen Erinnerungen an Weihnachten, mit der Radrunde zum Kloster Santa Creu de Rodes, dem Besuch des Dali-Museums und dem Weihnachtsmenu im El Motel begleiten uns, als wir in heftigem Gegenwind und in weitem Bogen um Figueres herumkurbeln, um wieder ans Meer zu gelangen. Der Camping Gaviota ist Ziel für heute.

Apropos Meer: Das Motto dieses Sabbatjahres ist eindeutig „Mare“ – es vergingen wirklich kaum mal ein paar Tage hintereinander, an denen wir nicht am Meer waren. Wir haben uns richtig daran gewöhnt, den Blick ungehindert zum Horizont schweifen zu lassen, uns am Morgen und Abend mit zusammengekniffenen Augen über das Glitzern der Sonne im Wasser zu freuen, die Kraft der Ozeane zu bestaunen, wenn meterhohe Wellen mit kaum vorstellbarer Kraft an die Felsen donnern und selbigen zu verstehen geben, dass sie nicht dauerhaft Widerstehen können. Spaziergänge am Strand, erfirischendes Eintauchen in die Fluten, der Sundowner, irgendwo auf einem namenlosen Felsen. Neben all dem: Das Leben am Meer ist nicht nur Sommerurlaub, der Winter ist oft feucht und kalt, das allen bekannte Sommer-Feeling am Meer verdichtet sich meist auf zwei Monate – Juli und August. Wer zu anderen Zeiten reisen kann, erlebt diese Küstenregionen so ganz anders. Und wir sind froh, in diesem gemächlichen Reisetempo so viel davon mitgenommen zu haben. Dies sicher eine DER kleinen großen Erfahrungen aus dem Sabbatjahr 22/23. Kein Monster-Erlebnis, aber ein kleiner Schatz, der unsere Herzen mit Freude und Dankbarkeit füllt.

Und dann heißt es wieder: Buenos dias! Bienvenudo al mar!

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