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25.06.2010 (m)
Obwohl uns der skandinavische Sommer heute erstmals im Stich lässt, brechen wir zu unserer ersten gemeinsamen Etappe auf. Die grauen Wolken hängen tief über unsern Köpfen und gerade als Uli ihren ersten Platten (nach pannenfreien 1000 und 1 Scherbe in Russland) geflickt hat, öffnet der Himmel seine Schleusen und schickt uns einen Schauer. Bald lässt es jedoch etwas nach und wir rollen los. Es dauert doch ziemlich lange, bis wir das Zentrum Helsinkis erreicht und in westlicher Richtung wieder verlassen haben. Insgesamt fahren wir fast 40 Kilometer durch Stadtgebiet, als die bebauten Bereiche und großen Straßen langsam den sanften, grünen Hügeln und dem dichten Wald weichen. Wir steuern einen Campingplatz ein und freuen uns schon, dem drohenden Wolkenbruch zuvorzukommen und noch trockenen Fusses die Zelte zu errichten, da erfahren wir vom „Special-Price“ Wege der Mittsommernacht. Die Preise liegen etwa 50 Prozent höher und außerdem müsste man gleich für zwei Nächte bleiben. 100 Euro würde uns der Spaß kosten. Nein danke. Wir erkundigen uns nach einem „Bivi“ (kleine Campingspots, mit Naturklo und Wasserstelle) und werden zehn Kilometer nach Norden verwiesen. Zahlreiche Hügel verstellen uns den Weg dorthin und etwa auf halber Strecke setzt heftiger Regen ein. Wir treten tapfer weiter, über matschige Feldwege bis zu der gesuchten Stelle in „Lukki“. Statt der von uns erhofften romantischen Stelle tief im finnischen Wald, erwartet uns eine riesige Zeltwiese, auf der sich schon gut einhundert Jugendliche eingerichtet haben, zwei Tage und Nächte lang den Johannistag zu feiern. Wir fragen bei der Security nach, ob wir hier auch zelten könnten, was bejaht wird. Für zehn Euro pro Zelt quetschen wir uns zwischen einen Wohnwagen und viele kleine Zelte. Von links dröhnt der Bass aus kleinen aber kräftigen mobilen Boxen, von rechts steigt Rauch der Feuerstellen und Grills auf. Überall liegen leere Bierflaschen und -dosen herum, manchmal auch ein Mensch. Als der Regen gerade seinen Höhepunkt erreicht, befinden wir uns mitten in den Aufbauarbeiten der Zelte, was Uli und Matze besser gelingt als uns. Unser komplettes Innenzelt ist leider nass, zum Glück haben wir aber noch die blaue „Kirschblüten“-Plane aus Japan, die als doppelter Boden fungiert. Die Lust zu Kochen ist nicht die größte, die Campinggaststätte bietet jedoch nur gehobenes Fast-Food zu stolzen Preisen und so opfert sich Katrin (wer sonst?) und kocht in strömendem Regen Spagetti mit Arrabiata-Sauce. Diese verspeisen wir in unserem Zelt und plaudern anschließend noch lange, während die Party um uns herum auf ihren Höhepunkt zusteuert. Kurz vor dem Schlafengehen bekommen wir noch zwei Bier geschenkt, die Matze und ich mit Blick auf das ausgelassene Treiben um uns herum „zischen“. Wir betten uns zur Nachtruhe. Wenig später lautes Geschrei und Getümmel um unser Zelt. Wir vernehmen deutlich zwei, drei „Watsch`n“. Mädchen kreischen, Kampfgebrüll ertönt. Wir spähen aus dem Zelt und sehen gerade noch, wie einem Jungen mit einem Holzknüppel über den Schädel gezogen wird. Blut fließt. Katrin sprintet (soweit sie das kann) barfuß – vorbei an Dosen und Flaschen – zu den Sicherheitsleuten, von denen schon kurze Zeit später zwei gelaufen kommen. Schnell erhalten sie Verstärkung und die ersten Jugendlichen werden mit Polizeigriffen ins nasse Gras gedrückt. Die Ansammlung löst sich im Anschluss rasch auf, wir hören noch Sirenen (Polizei oder Krankenwagen), dann wird es merklich ruhiger und wir schlafen gut.