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So hoch die Muskeln tragen

von sabbatradler
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Der Morgen beginnt genussvoll – wir bekommen Kaffee und Rührei, was unser Morgenmenü komplett macht und uns den Tag freudvoll beginnen lässt. Ja, wenn Fressmummeln reisen! Immerhin tun die Fressmummeln auch viel, um sich das Schlemmen zu verdienen. Wie viel tausend Höhenmeter stehen heute wieder auf dem Programm? Na, über 1500 werden’s schon werden! Nach einem kurzen Anstieg bis Pescopenmataro folgt in bereits bekannter Weise erst einmal wieder eine Morgenabfahrt, die uns ins Tal unter 500 m hinunter wirft, dass die Ritzelstellung der nächsten Stunden schon wieder klar ist. Am Fuße des Passes sehen wir alle ein Schild: „Ristorante Gamberale – 1319m“ – gerade noch in Reichweite ist Speedy-Matthias, der den Auftrag bekommt, oben für alle Pasta zu bestellen, falls wir Schnecken nicht rechtzeitig vor 14 Uhr da sein sollten. Der Pass lässt sich wunderbar fahren, vor allem im unteren Bereich ist er toll angelegt, nicht zu steil und optimal fürs Rennrad. Ach, wir haben gar keine Rennräder? Ich vergaß. In der fernen Höhe sehe ich eine Burg. Wie das so ist, zieht sich die Arbeit gegen Ende und ich bin froh, als ich die steilen Rampen nach Gamberale hineintrete und mich oben wähne. Die Burg, die in der fernen Höhe stand, steht nun hinter mir und ist ein Turm des Dorfes. Immer wieder erstaunlich, dass man dann irgendwann doch oben ist. Die Ernüchterung folgt auf den Fuß: die imaginären Pastavariationen, die mich über die letzten Kilometer hier heraufgebracht haben, werden eine Vision bleiben. Meine Kollegen mümmeln bereits eifrig Brot und Käse auf den Stufen des Ortsrathauses. Der Restaurantbesitzer hat Gamberale verlassen, ohne seine Schilder abzumontieren. So ein stronzo denke ich mir missmutig und beiße in das nun besonders neutral schmeckende Weißbrot. Immerhin haben mich die Nudeln hier heraufgebracht, obwohl es sie gar nicht gibt. Fantasie verleiht Flügel! Jetzt geht es erstmal nur noch bergab bis zur Hauptstraße – da sind wir uns einig. Doch alle Einigkeit nützt auch nichts, wenn die Annahme falsch ist. Die Abfahrtsmeter lassen sich an einer Hand abzählen (oder ich habe sie verdrängt), stattdessen kringelt sich die Straße durch einen tropisch anmutenden Wald und kringelt sich und kringelt sich und … mündet irgendwann endlich in den Pass „Valico di Forchetta“ der natürlich nicht der höchste Punkt war und auch nicht für die Weiterfahrt ist. Ein paar Meter unterhalb verläuft die Bahnlinie, vor dem Bahnhof in der Bar sitzen bereits Tina und Matthias und Molle – ich geselle mich gerne dazu. Vom Regenwald auf eine Westernranch in 2 Minuten. Lustig. „Sieht aus wie in Iowa“ – meint Matthias noch, als wir uns aus der Hochebene über eine Schweinerampe hinauskämpfen wie aus dem Kessel eines erloschenen Kraters, hinauf nach Campo die Giove. Nur für diesen kurzen Moment wäre ich gerne eine echte Dampflok, die sich unten durch den Tunnel zwängen darf, stattdessen mache ich nur solche Geräusche. Eigentlich könnte man mich nach der Schweinerampe auch direkt einmotten, doch wie es auf dieser Tour so ist: das ist noch nicht das Ziel! Eine kurze Abfahrt bringt uns nach Campo die Giove – ein netter Ort, in dem aber leider auch mal wieder sämtliche Alimentari geschlossen sind. Wer braucht schon Wasser? Oder sonstwas? Wenigstens kann man Geld abheben. Ich hetze den anderen hinterher, die den Einkaufsversuch gar nicht mitgemacht haben, und bin nach wenigen Kilometern Passanstieg auch froh, dass ich gar kein Wasser bekommen habe und somit weniger hinaufschleppen muss. Neben uns ragt der Monte Amaro auf – ein 2793 m Berg im Nationalpark „Montagna della Maiella“. Die Landschaft ist wirklich gigantisch. Karg aufragende Gipfel, die Baumgrenze liegt hier sehr niedrig, alles hat bereits einen sehr alpinen Charakter. Vom stahlblauen Himmel und dem güldenen Frühabendlicht ganz zu schweigen. Auf der Passhöhe des Passo S. Leonardo auf 1282m steht ein hässliches Hotel, das seine besten Zeiten gesehen hat und aussieht wie eine stahlgewordene mongolische Jurte und ein Wegweiser zu einer Campingmöglichkeit, die aber von uns nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird, zumal Matthias schon durchgestartet ist. Dann kommt einmal wieder das richtige Schild zum richtigen Zeitpunkt: Agricamping links! Wir biegen ein und stehen kurz später auf einem wunderbaren Campingplatz – sogar mit Pool – im Schatten von Eichen und Oliven, mit Waschbecken am Platz. Betrieben von einer Engländerin ist es ein gut gepflegtes Plätzchen. Die Jungs erbarmen sich und fahren noch 800 Meter hinein in den Ort S. Eufemia a Maiella und kommen mit Schätzen wie Bier, Wein, Oliven, Joghurt, Nachtisch und Pastasaucenaufwertern zurück. Schon wieder verdrängen die Kalorien der Nudeln die Strapazen des Tages und Wein und Bier bringen die phänomenalen Bilder der Etappe vor die Augen, die dann auch bald geschlossen werden, auch im kleinen grünen Zelt, sobald es lichtabwärts geparkt ist.

30Aug2011

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